Von verschiedenen Seiten liegen Äußerungen zum Thema der weiteren Entwicklung der östlichen Innenstadt vor.
- Nach einem Bürgergespräch im Rathaus, haben Bewohner aus der Oberstadt ihre Vorstellungen von einem Ausbau der östlichen Innenstadt in den Jahren 2006/07 im Stadtplanungsamt in mehreren Sitzungen vorgetragen. Das Planungsamt hat in einem zusammenfassenden Bericht im Juli 2007 diese Gespräche dokumentiert.
- Auch Fachleute, z.B. der BDA haben sich im Juli 2008 mit der weiteren inhaltlichen und baulichen Ausformung der Stadt in einer schriftlichen mehrseitigen Stellungnahme befasst und in Freiburg generell hierbei den Aufgabenschwerpunkt östliche Innenstadt herausgestellt.
- Von weiteren Initiativen, z.B. von der Fraueninitiative (STEP) wurden im Dezember 2008 über den innerstädtischen Ausbau von Straßen und Plätzen Vorstellungen vorgetragen, die im Fall ihrer Realisierung deutliche Verbesserungen insbesondere auch für die obere Altstadt erbringen sollen.
Trotz dieser Äußerungen ist das Thema Innenstadt-Ost zwar in Stellungnahmen einzelner Fraktionen, nicht aber von einer offiziellen Stelle der kommunalen Baupolitik bislang aufgegriffen worden. Inzwischen werden von privaten Investoren in Ausnutzung der attraktiven historischen Stadtkulisse anstelle der die Kriegszerstörung ersetzenden Nachkriegsbebauung lukrative Neubaunutzungen vorgeschlagen. Es sind aber aus übergeordneter städtebaulicher Sicht keinerlei Rahmenbedingungen (Verkehr, Soziales, Ökonomie, Umwelt, Gestaltung) entwickelt und verbindlich festgesetzt worden. Umgekehrt wie in der stadtplanerisch sinnvollen Vorgehensweise gehen hier die privaten Initiativen nicht vom neuerdings sogar preisgekrönten Träger der Planungshoheit aus sondern von einer privaten, erwartungsgemäß gewinnorientierten Bauvorstellung. Der gegebenen Aufgabenstellung wird man auf diese Weise kaum gerecht werden.
Diese Expertise versteht sich als Wortmeldung zum aktuellen Stand der Diskussion um die Wiederbesetzung des Baudezernats sowie die Verkehrsentlastung der oberen Altstadt durch das Dreisamtunnelprojekt und ihre jeweiligen Auswirkungen auf die Entwicklung der östlichen Innenstadt.
Die Weiterentwicklung der Innenstadt-Ost, eine zentrale baupolitische Aufgabe der Stadt Freiburg
Die Innenstadt, insbesondere der südöstliche Quadrant, in seiner Bedeutung als oberzentraler Dienstleistungsstandort, seiner bauhistorischen Vielfalt und seiner landschaftlichen Prägung mit Schlossberg und Dreisam ist für den Freiburger unbestritten Stadtmitte; hier schlägt das Herz der Stadt.
Problematik und Chancen der Stadtentwicklung in der östlichen Innenstadt
Ein wesentliches Motiv für die hier vorgetragene Initiative ist die unbefriedigende Randbildung der Innenstadt am Schwabentor. Der bereits seit Jahren bestehende städtebauliche Missstand in diesem Gebiet ergibt sich aus der in den 60erJahren rein KFZ-verkehrlich entwickelten Funktionszuweisung der vorhandenen Strassen- und Platzräume und der dann noch zusätzlich eingelagerten Straßenbahntrassierung.
- Ein Baublock wurde in die Zange genommen und abgeschrankt.
- Die naturräumlich sensibelste Stelle des gesamten Stadtgebiets zwischen Berg und Fluss stellt sich als Asphaltebene dar.
- Der Jahrhunderte alte Austausch zwischen benachbarten Stadtgebieten ist unterbunden.
- Der Schwabentorplatz, als einladender Sammel- und Empfangsraum der Innenstadt, ist zum Nadelöhr und nicht zum Bindeglied der Entwicklung im Osten geworden.
Diese „verfahrene“ Situation könnte jetzt geheilt werden durch die vorgesehene Planung eines Dreisamtunnels für die B 31. Nach Lage der Dinge sollte mit der Erstellung einer Vorplanung begonnen werden. Die richtige Verkehrslösung wird für die Innenstadt-Ost eine einmalige Chance für die unterflurige, wie auch die ebenerdige Neuordnung des Verkehrs und der städtebaulichen Struktur darstellen.
Diese Chance muss aber in ihrer Wichtigkeit erkannt und für die Innenstadt auch genutzt werden. Wenn die Tunnelplanung nur als verkehrliche Bundesaufgabe gesehen wird, ohne dass die an sie anschließenden Bereiche mit in die Betrachtung aufgenommen werden, wird das das Nachhinken der Innenstadt-Ost zementieren und weitere gravierende Fehler hervorrufen. Im übrigen ist es nach der gegebenen Gesetzeslage heute erforderlich, städteplanerische und grünplanerische Auswirkungen von Straßenbauvorhaben bei der Zuschussbeantragung darzustellen.
Es geht dabei weniger um eine schnelle Ausführung des Umbaus in diesen Bereichen als darum, dass für die Raumnutzungen in der Einflusszone der B 31 und Innenstadt- Ost verbindliche planerische Lösungen erarbeitet werden. Die damit gegebene Planungssicherheit ist entscheidend wichtig, weil die weitere Entwicklung der Innenstadt-Ost bei weitem nicht allein durch das öffentliche Bauen sondern ganz wesentlich durch private Investoren bewirkt werden muss, die aber völlig auf die Verbindlichkeit der Planung angewiesen sind, andernfalls nicht investieren, oder mit überzogenen eigenen Nutzungsabsichten die Stadt unter Druck setzen.
Der bereits vollzogene Ausbau der Innenstadt zwischen Rotteckring und Bahnhof zeigt die Machbarkeit einer positiven Standortentwicklung auf, der begrüßenswert ist. Dieser subventionierte Ausbau im Westen bedeutet für den Osten aber auch eine konkurrierende Herausforderung auf die hier ebenfalls nicht allein aus Eigeninitiative reagiert werden kann.
Die südöstliche Innenstadt verfügt über eine Reihe von Potentialen, die bewusst eingesetzt werden sollten und bei einer künftigen Weiterentwicklung dieses Bereichs verdeutlicht und stärker zur Wirkung gebracht werden könnten.
Der Ostteil des Stadtzentrums wird wesentlich durch Baudenkmale, allen voran dem Münster, bestimmt. Dazu kommen viele baugeschichtliche Zeugnisse der vergangenen Jahrhunderte. Neben Gebäuden wirkt gestalterisch sehr prägend der historische Stadtgrundriss, der mit natürlichen Materialien ausgebaut wurde und ein sehr leistungsfähiges Verkehrskonzept anbietet. Eine wichtige Steigerung der gegebenen Möglichkeiten bildet der zur Zeit laufende Umbau des Augustinermuseums. Durch ihre von jedem Besucher empfundene geschichtlich-kulturelle Dimension erreicht die östliche Innenstadt von Freiburg, anders als andere rein funktional organisierte Stadtzentren, für Bürger und Gäste eine sympathische Bindekraft und Vertrautheit.
Yvonne Faller, Freie Architektin BDA, Münsterbaumeisterin
Nirgends ist der Zugang zum mittelalterlichen Stadtkern schöner und differenzierter gestaltet als von Osten her.
Es war der wichtigste Stadteingang, da die Handelswege aus dem Schwarzwald und dem Schwäbischen die Kaufleute an dieser Stelle in die Stadt führte. Noch bevor man das Schwabentor, den eigentlichen Stadteingang erreichte, wurde man bereits im Mittelalter über die erste und wichtigste Dreisambrücke zum Tor hin geleitet. Geblieben ist eine dichte verkehrliche Nutzung, die inzwischen alles andere verdrängt hat.
Hat man das Schwabentor durchschritten, öffnet sich zunächst der Raum zu einem der schönsten Plätze Freiburgs, Oberlinden. An dieser Stelle wird die gesamte östliche Innenstadt zusammengeführt, bzw. hat man von hier die Möglichkeit, sich für unterschiedliche Quartiere zu entscheiden.
Egal, für welche man sich entscheidet, man wird in jedem Fall zahlreiche bauliche Zeugnisse unterschiedlichster Epochen und besondere Plätze eigener Ausprägung finden.
Im Süden liegt ein Quartier das geprägt ist zum Einen von kleinteiliger, ehemals handwerklich genutzten Gebäudestruktur der Fischerau und Gerberau, zum anderen aber auch von großen Bausteinen der ehemaligen Klöster wie dem Adelhauserkloster und dem Augustinerkloster. Heute beherbergen diese Klöster wichtige Museen, der noch laufende Umbau wird deren Attraktivität noch deutlich steigern. Die Lage an dem sehr offenen, beliebten und belebten Augustinerplatz unterstreicht die übergeordnete Funktion dieser für die Stadt und die Region wichtigen Einrichtungen.
Die Salzstraße, die vom Schwabentor zur Stadtmitte führt, beherbergt eine Reihe öffentlicher Nutzungen in schönen alten Stadtpalais. So zum Beispiel das (wiederaufgebaute) barocke Sickingenpalais, welches heute das Landgericht beherbergt.
Die Herrenstraße ist eine lebendige Einkaufstraße. Zwischen der kleinteiligen Bebauung findet sich immer wieder ein besonderer Baustein, der meist im Zusammenhang mit einer kirchlichen Nutzung steht.
Das Erzbischöfliche Ordinariat an der Ecke Herren- / Schoferstrasse gehört zu den größten Gebäuden der Innenstadt. Seine subtile städtebauliche Einfügung in die Umgebung und seine Gestaltung der Wandflächen sowohl im Inneren als auch an der Fassade, zeichnet dieses architektonische Meisterwerk des Historismus aus.
Von hier führt der Weg zum wichtigsten Bauwerk der Stadt, dem Münster. Seit fast 700 Jahren prägt es das Bild Freiburgs und der Region. Der umgebende Münsterplatz ist immer noch die gute Stube der Stadt und Treffpunkt für Bewohner, Besucher und Händler. Zahlreiche öffentliche Gebäude säumen den Platz sowie das historische Kaufhaus auf der Südseite und das Kornhaus und die Stadtbücherei auf der Nordseite.
Die alte Stadtanlage von Freiburg, ihr Wiederaufbau in den 60er und Ausbau in den 70er Jahren bilden immer noch für die Marktnutzung eines Großstadtzentrums eine gute Voraussetzung, mit innerer Fußgängerzone, äußerem Verkehrsring, gutem Parkraumangebot sowie leistungsfähigem Nahverkehr. Trotzdem steht der innerstädtische Einzelhandel vor Problemen. Eine angespannte Geschäftssituation ergibt sich aus der Konkurrenz zu Vermarktern, Filialisten und den Angeboten auf der „grünen Wiese“, die sogar auf gut eingeführte Kaufhäuser zugreift aber mit kommunalen Mitteln wenig zu beeinflussen ist. Daneben gibt es aber auch Probleme in der östlichen Innenstadt, die durch lokale Gestaltungsmaßnahmen zu verbessern wären. Es sind vor allem die rigiden Verkehrsströme, die dem Zugang der Mantelbevölkerung als Barrieren entgegenstehen anstatt wie im Weststadtumbau nach Verkehrsverlagerung des Rotteckrings mit attraktiven Stadträumen den Stadtkern für Fußgängerströme von außen zu öffnen. Eine Erweiterung mit abgestuften Einzelhandelsangeboten ist im Osten seit Jahren nicht möglich; stattdessen erfolgt lediglich eine innere Sortierung ohne Qualitätsgewinn, die Züge einer Stagnation zeigt.
So richtet sich eine große Erwartung nach Bau des Dreisamtunnels und der Bebauung der Schlossbergnase auf eine positive Änderung durch eine Umformung des Schwabentorvorplatzes in Verbindung mit der Verkehrsordnung nach Bau des Dreisamtunnels.
Dipl. Kfm. Manfred C. Noppel
Einzelhandelsverband Südbaden e.V., Hauptgeschäftsführung
Mit der Fertigstellung des Stadttunnels ergeben sich Möglichkeiten, die Innenstadt- Ost qualifiziert zu entwickeln. Dies gilt auch für Veränderungen an der Schlossbergnase. Es ist notwendig sich schon heute Gedanken zu machen, um bei den weiteren Planungen und Entwicklungen die dafür vorgesehenen Ideen zu berücksichtigen. Sonst besteht die Gefahr, dass zukünftige Gestaltungen „verbaut“ werden.
Der Verkehr am Schwabentor und Schlossbergring wird nicht gänzlich verschwinden. Hier muss dieser Verkehr planerisch aufgefangen werden. Das Ziel, die Wiehre qualifizierter und verkehrsberuhigter anzubieten, ist realisierbar. Bei intelligenter Planung muss von beiden Strassen Greiffeneggring und Schwabentorring nur noch eine mit Verkehr belastet werden. Die andere kann entsprechend beruhigt und zum Fußgängerbereich ausgebaut und gestaltet werden. Die Verbindung zur Wiehre kann qualifiziert werden, was sich auf den Geschäftsbesatz außerhalb des Schwabentors langfristig positiv auswirken wird.
Mit Fertigstellung des Stadttunnels kann auch entlang der Dreisam Aufenthaltsatmosphäre geschaffen werden.
Die südöstliche Innenstadt verfügt über einen großen Reichtum an naturräumlichen Elementen, die gliedernd vom Stadtkörper aufgenommen, der Innenstadt ein ganz besondere Charakteristik geben könnten. Diese Elemente sind: der Schlossberg als Kante des Rheintalgrabenbruchs, der Waldbestand in Großstadtmitte als Ausläufer der Rosskopfflora und die Dreisamflusslandschaft. Die derzeitigen Verkehrsräume der Oststadt orientieren sich zwar bautechnisch an der Morphologie, erschließen dem Betrachter die Einmaligkeit dieser Landschaft aber nicht.
Reiner Probst
Dipl Ing Freier Architekt und Stadtplaner BDA DWB
Sprecher des Planungsbeirats der Architektenkammer Freiburg
Die autobahnähnliche B 31 je 2 Spuren beidseitig der Dreisam durchschneidet die Stadt, trennt die Altstadt von den südlichen Stadtteilen.
Mit dem geplanten Stadttunnel entlang der Dreisam öffnen sich erhebliche Möglichkeiten der strukturellen Erneuerung und der Schaffung von neuen städtischen Qualitäten, die in dieser Dimension sich in naher Zukunft nicht wiederholen werden.
Neben der Entwicklung des gänzlich veränderten Image und Lebensqualität – Freiburg als Stadt am Fluss und am Berg – mit möglicher Weiterentwicklung ganzer dann hochwertiger Gebäudelagen als Uferbebauung entlang dem Dreisamboulevard muss ein besonderes Augenmerk auf dem Bereich Schwabentorplatz und Schlossbergnase liegen sowie der weiträumigen landschaftlichen Verbindung vom Schlossberg über den Schwabentorplatz zur Dreisamuferpark bis zur Kronenbrücke als „grüne Lunge“.
Das Weiterziehen der geplanten Tunnelein-/ausfahrt in den Bereich vor der Schlossberggarage eröffnet die ganz große Chance einen Schwabentorplatz außerhalb des Schwabentors zu gestalten. Der Platz wird dann dominiert vom Schwabentor, der neuen Platzwand eines Gebäudes an der Schlossbergnase, das genügend Raum lassen sollte für die Einbeziehung der Grünverbindung Schlossberg – Schwabentorplatz – Dreisamboulevard, und dem vielleicht etwas umzugestaltenden Victoriagebäudes.
Dieser neue Schwabentorplatz kann zum Impuls werden mit seiner Verkehrsfreiheit für die neue Ostentwicklung. Frei wird dann auch die 3-spurige Brücke über die Dreisam Leo-Wohleb-Strasse. Die städtebauliche Eingliederung dieser Brücke in die mögliche Ostentwicklung als Chance zu sehen ist Aufgabe für den gesamten Dreisam/Schlossbergbereich u.U. unter Einbeziehung des Gantergeländes im Sinne einer vorausschauenden Stadtplanung – für den Fall, dass sich dort einmal etwas ändern wird.
Die verkehrsfreie Ausbildung des Schwabentorplatzes wird die südöstliche Innenstadt aufwerten und die Ostentwicklung Richtung ZO ermöglichen. Es wird deutlich, dass eine Vorplanung mit Ideenwettbewerb unbedingt noch vor Planungsbeginn Stadttunnel erfolgen sollte um das Potential der Stadträume danach so rechtzeitig zu erkennen, und dadurch noch Einfluss auf die Lage der Tunnelanschlüsse zu erreichen.
Bevor die Berechnung einzelner Belastungsfälle des Verkehrsnetzes nach dem Tunnelbau vorliegt, können sehr detaillierte Auswirkungen des Dreisamtunnels in einer Vorschau auf die Entwicklung der östlichen Innenstadt nicht dargestellt werden. Trotzdem können aber konkrete Aussagen über die Chancen einer neuen Verkehrsführung gemacht werden.
Volker Rosenstiel
Freier Architekt und Stadtplaner BDA DWB
Für die Weiterentwicklung der Oststadt gibt es eine Reihe Konzept-Ideen, ein Gesamtkonzept für eine langfristige Entwicklung fehlt bis heute.
In der Oststadt behindern die Verkehrsschneisen der 70-er Jahre eine sinnvolle städtebauliche Entwicklung. Schützenallee, Schwarzwaldstraße, Leo- Wohleb-Strasse, Greiffeneggring, Schwabentorstraße und Schwabentorplatz sind städtebauliche Räume, in denen eine in den Städtebau integrierte Verkehrsplanung fehlt. Besonders schmerzlich sind die Fehlentwicklungen vom Schwabentorplatz in der Schwarzwald-, Hilda- und Talstrasse.
Mit der Verlegung des Durchgangsverkehrs durch den Stadttunnel könnten sich die Verkehrsmengen an der Oberfläche im Abschnitt Leo-Wohleb- Strasse, Schwarzwaldstrasse etwa auf die Hälfte des heutigen Verkehrs reduzieren. Durch die Beibehaltung der Tunnelausfahrt an der Maria-Hilf-Kirche bleibt die halbierte Verkehrsmenge in der Schwarzwaldstraße bzw. Leo- Wohleb-Strasse. Durch diese Verkehrsreduzierung können in diesem Abschnitt der Schwarzwaldstraße sowohl die Anzahl der Spuren wie auch die Straßenbreiten deutlich zurückgebaut werden. Auch die Knotenpunkte können mit wesentlich weniger Flächen angelegt werden.
Die Verkehrsmengen im Schwabentorring bzw. im Greiffeneggring werden sich nur reduzieren lassen durch eine Verlagerung der Ausfahrtgewohnheiten nach Norden, die sich dann in die schneller befahrbare Bahnhofachse, d.h. Bismarckallee – Heinrich-von-Stephan-Strasse, verlagern könnten.
Im Status Quo belastet die Aufspaltung des Verkehrs in den Greifeneggring und den Schwabentorring das städtebauliche Quartier zwischen Schwabentor und Dreisam. Die Insellage zwischen den Verkehrsströmen führt zu einer Abschottung zu den Nachbarquartieren, da die Verkehrsbänder nur an wenigen Stellen mit Ampelsteuerung überschreitbar sind. Der räumlich interessante Bereich vor dem Schwabentor, zwischen Insel und Schlossbergnase, wird überwiegend durch die Verkehrsflächen dominiert. Bei einer Verlagerung des Verkehrs in eine der beiden Verkehrsachsen und eine Reservierung der anderen Straße für Straßenbahn, Radfahrer und Fußgänger, könnte zumindest einer der beiden Straßenräume aufgeräumt und ein Teil der Verkehrsflächen vor dem Schwabentor zurückgebaut werden. Im Zuge der vorgesehenen Planung des Stadttunnels wäre zu prüfen, ob eine unterirdische Ausfahrt aus dem Bereich der Schwabentorbrücke in den Schlossbergring städtebaulich und ökonomisch sinnvoll sein kann. In diesem Fall könnte der Schwabentorplatz völlig vom Individualverkehr entlastet werden.
Die o.g. städtebaulichen Potenziale werden erst umfassend begreifbar, wenn Verkehr, Städtebau und Grünvernetzung ( Dreisam – Schlossberg ) interdisziplinär in einem Wettbewerb nach fundierter Leitplanung untersucht werden. Aus den Vorschlägen können neue Impulse einer weiteren Festlegung bei der Stadttunnelplanung bzw. der Altstadtplanung diskutiert werden und in zukünftige Planungen einfliesen.
Trotz der landschaftlich engen Tal Lage verfügt der südöstliche Teil der Innenstadt zwischen Schwabentor und altem Messplatz über Flächenreserven, die bei verbesserter Anbindung an den Kern und qualifizierter Nutzung für seine weitere Entwicklung eine große Anstoßwirkung entfalten würden.
Gerade in Schwabentornähe befinden sich solche Flächen sogar in Stadtbesitz, was zeitlich und funktional eine gezielte Nutzung sehr fördern könnte. Bei weiterem Ausbau dieser Reserven wird die Wohnnutzung weiterhin einen wesentlichen Anteil haben.
Bernd Fahle
Stadtplaner
Wenn der Stadttunnel kommt, kommt auch die städtebauliche Chance, alles neu zu ordnen. Der städtische Ost-West Durchgangsverkehr wird uns dann verschonen. Es muss aber auch gelingen, den Ost-Nord Durchgangsverkehr von der Innenstadt fern zu halten und über die Bahnhofsachse und die Westrandstraße zu lenken. Dann gewinnen wir städtebauliche Freiheiten für die zukünftige Rolle des Schwabentorrings: ein attraktives, fußgängerfreundliches, östliches Tor zur Innenstadt.
Die Einzelhandelsinnenstadt mit seinen 1a und 1b Lagen wird sich prinzipiell weiterhin auf den Altstadtbereich hinter dem Schwabentor beschränken. Die erweiterte Innenstadt wird aber vor dem Hintergrund demografischer Entwicklungen und sich verändernder Lebensstile zukünftig ein nachgefragter Wohnund Lebensstandort sein. Dies trifft insbesondere zu für die östliche Innenstadt.
Ein erster städtebaulicher Baustein ist der neue verkehrsberuhigte Schwabentorplatz und die attraktive Bebauung der Schlossbergnase. Die vorliegenden städtebaulich-funktionalen Konzepte zielen zu Recht auf eine stadtkulturelle Nutzung für diesen innerstädtischen Neuordnungsschwerpunkt. Sie definieren eine schlüssige Abrundung der unverwechselbaren Rolle der östlichen Altstadt: als besonderer Stadtteil für Kultur, Unterhaltung, Kommunikation, Gastronomie und Tourismus. Wir freuen uns auf das neue Augustiner Museum und mehr.
Die neuen Aufgaben für Schwabentorring und Greiffeneggring liegen auf der Hand. Der Erste wird öffentlicher Raum für die Menschen und die Straßenbahn, der Zweite für den Autoverkehr. Die Nutzungen im Umfeld werden sich entsprechend differenzieren. Das neue Dreisamufer Cafe zeigt uns, dass eine einzigartige Aufenthaltsqualität in der Innenstadt geboten werden kann. Wenn auf der Dreisamstraße dereinst nur noch der Erschließungsverkehr zulässig ist, haben wir ein Dreisamufer, das wir verdienen.
Bei der Leo-Wohlleb-Straße und -brücke muss das Umfeld helfen. Vielleicht ergibt sich bald die Chance für eine großzügige städtebauliche Neuordnung, wenn die Ganter Brauerei ihren Flächenanspruch intelligent überprüft. Dann hätten wir ein weiteres neues Wohnquartier nahe Dreisam, Schlossberg und Innenstadt.
Für die östliche Schwarzwaldstraße bis zum Bereich Maria Hilf werden wir entscheidend weniger Verkehr haben und brauchen entsprechend weniger Verkehrflächen. Mit einem Boulevard Charakter wird das Wohnen auch in diesem Strassenabschnitt möglich – rückwärtige Neuordnungsflächen auf beiden Straßenseiten eingeschlossen.
An diesen Bereich schließt an der Messplatz, die neue Mitte der Oberwiehre. Dieses zeitgemäße attraktive Stadtquartier zeigt uns, wie nach der Verdrängung des Autoverkehrs eine Stadt neu lebt.
Das Wachstum von Stadtgebieten hängt entscheidend von lokalen Gegebenheiten und deren Transformierbarkeit in der absehbaren Zukunft ab. In diesem Zusammenhang ist die Neuordnung der B 31 für die Innenstadt-Ost von ausschlaggebender Bedeutung. Es ist für eine Vorausschau aber unerlässlich, über Projekt bezogene lokale Einflüsse hinaus auch einen Blick auf übergeordnete, großräumig wirksame Entwicklungstendenzen zu werfen, die den zu betrachtenden Teilraum in seinen Möglichkeiten bestimmen werden. Es wird nicht genügen, in einer Stadt Flächen freizumachen ohne zu wissen, ob für die gewonnenen Räume auch eine sinnvolle Nutzungsnachfrage besteht.
Constanze Oberkirch
Rechtsanwältin
Freiburg ist unter anderem als eine der wenigen wachsenden Großstädte Deutschlands bekannt. Diese Entwicklung verteilt sich jedoch nicht gleichmäßig über die gesamte Stadt. Vielmehr gibt es Stadtteile, in denen die Bevölkerungszahlen stagnieren. So ist etwa in den Stadtbezirken Altstadt-Mitte und Altstadt-Ring die Einwohnerdichte im Vergleich der Jahre 1998 und 2008 nahezu unverändert geblieben.
Die Einwohnerdichte lässt sich am Besten anhand der nachfolgenden Tabelle veranschaulichen:
Indikatoren Einwohnerdichte • Freiburg • Einwohnermelderegister
Kleinräumige Gliederung | Besiedelte Fläche in Hektar | Einwohner je ha besiedelter Fläche | Wohnbevölkerung je ha besiedelter Fläche |
Altstadt-Mitte 1998 | 50,6 | 80,2 | 71,8 |
Altstadt-Ring 1998 | 61,8 | 55,0 | 49,5 |
Altstadt-Mitte 2008 | 50,6 | 79,5 | 71,6 |
Altstadt-Ring 2008 | 61,8 | 57,5 | 52,9 |
- Quelle: Amt für Bürgerservice und Informationsverarbeitung, Freiburg
Während im Bezirk Altstadt-Mitte die Bevölkerungsdichte sich nur marginal verringert hat (- 0,7), hat sie sich im Bereich Altstadt-Ring sogar erhöht (+ 2,5).
Auffällig ist dabei, dass die Bevölkerung zu großen Teilen aus Kreisen der Studentenschaft kommt. Hier ist als entscheidender Standortvorteil der Innenstadt die direkte Nähe zur Universität zu nennen. Auch ältere Bürger sind relativ stark vertreten, was sicherlich auf die vorhandenen zentrennahen Pflegeund Seniorenwohnheime zurückzuführen ist. Hingegen wählen nur wenige Familien mit Kindern die Innenstadt als Wohndomizil. Dies mag zum Großteil an der doch ganz erheblichen Belastung der Innenstadt mit Lärm unterschiedlichster Quellen (Verkehrslärm, lärmende Gruppen junger Leute, insbesondere an den bekannten neuralgischen Punkten) liegen. Insoweit sei auf die Ergebnisse der entsprechenden Arbeitsgruppe des Oberstadtentwicklungsplanes verwiesen.
Auch diese ist zu dem Schluss gekommen, die Innenstadt müsse durch mehrere parallel laufende Maßnahmen unter anderem zur Lärmberuhigung auch für die normale Wohnbevölkerung wieder attraktiver gemacht werden. Auch wenn die Bevölkerungsdichte in absoluten Zahlen in der Innenstadt im Wesentlichen konstant geblieben ist, ist eine deutliche Änderung in der Zusammensetzung und insbesondere der Altersgruppen zu verzeichnen. Eine ausgewogene Bevölkerung ist jedoch zwingende Voraussetzung für eine langfristig hochwertige und auch wohnwerte Innenstadt.
Die Stadtentwicklung der südöstlichen Innenstadt kann auf positive Standortfaktoren zurückgreifen, wird aber auch Belastungen, die diesen Bereich stören und nicht zur Entfaltung kommen lassen neu ordnen müssen. An erster Stelle ist die vom KFZVerkehr bestimmte Nutzung der Räume um die Schwabentorbrücken und der Schwabentorplatz selbst zu sehen, die den Fußgänger auf schmale Gehwegstreifen und Verkehrsinseln zusammendrängt, damit den Austausch zwischen Innenstadt und der vorgelagerten Wiehre mit dem Bereich Ganter – Maria-Hilf auf schmale straßenbegleitende Korridore zwingt und im Grunde verhindert. Wenn jetzt der 4-spurige überörtliche Durchgangsverkehr der B 31 in die untere Ebene verlagert wird, muss diese Chance genutzt werden, um nun den oberirdischen Stadtraum „vor dem Tor“ für Fußgänger und Straßenbahnführungen neu zu fassen. Die B 31 unter Flur zu legen und oben in der östlichen Innenstadt „alles beim Alten“ zu belassen ist daher nur die halbe Lösung der Aufgabe.
Vor der Realisierung einzelner Maßnahmen sollte ein gestuftes Planungsverfahren durchlaufen werden.
Hansjörg Oehm
Dipl. Ing. Architekt, Reg. Baumeister für Städtebau, DWB
Durch die städtebauliche Entwicklung nach dem Krieg insbesondere durch die Verkehrsplanung wurde der Anschluss der östlichen Stadtgebiete an die Innenstadt gestört und der Standort für die Bereiche Schwabentorring, Greiffeneggring und Schwarzwaldstrasse massiv verschlechtert. Insbesondere die Aufspaltung des Verkehrs im Bereich Schwabentor-/Greiffeneggring erwies sich als Planungsfehler. Ebenfalls nachteilig für die Bewohner zeigte sich die Lage der Stadtbahn in Seitenlage auf eigenem Gleiskörper, da dadurch die Überschreitbarkeit der Strasse weitgehend eingeschränkt wurde. In der Folge verödete die Geschäftslage.
Unabhängig vom Bau des Stadttunnels ist eine Neuordnung des sich jetzt kreuzenden Verkehrs mit einer klaren Trennung zwischen Stadtbahn und Autoverkehr dringend geboten. Ebenfalls zu Lasten der Stadtqualität erwies sich die Führung der B 31 beidseits der Dreisam. Durch den Stadttunnel kann hier eine wesentliche Verbesserung erreicht werden.
Durch die Verkehrsplanung, die allein auf das Auto ausgerichtet war, wird die Zugänglichkeit in die Innenstadt für Fußgänger und Radfahrer aus der Oststadt erheblich erschwert. Das gleich gilt für das Erreichen des Schlossbergs und der östlichen Stadtteile aus der Innenstadt.
Wie man aus der Zeitung entnehmen kann, erwägt die Brauerei Ganter u.U. den Betrieb räumlich neu zu organisieren und Teile des Firmengeländes anderweitig zu nutzen.
All diese Faktoren zusammengenommen zeichnet sich vor dem Schwabentor die Möglichkeit eines Stadterneuerungsprogramms ab, das die Voraussetzungen schafft, den Attraktionsverlust der östlichen Innenstadt zu begegnen.
Es zeichnet sich ein Sanierungsgebiet ab zwischen Schwabentor und Schützenallee. Das Gebiet ist unterteilbar in drei Abschnitte mit folgenden Schwerpunkten
- Neuordnung des Verkehrs Stadtbahn- Strasse zwischen Greiffeneggring und Schwabentorring evtl. unter Rücknahme der Baufront, sowie ein Konzept für die Schlossbergnase
- Gebiet zwischen Schwarzwald- und Leo-Wohleb-Strasse bis zur Schützenallee mit Einbindung der Aus-Einfahrt Stadttunnel. Verlegung der Stadtbahn
- Städtebauliche Neuordnung von nicht aktuell genutzten Bauflächen mit Wohnen, Dienstleistungen und nichtstörendem Gewerbe
Für die Durchführung der Sanierung ist ein Mindestzeitraum von 15 Jahren in Ansatz zu bringen mit möglicher Verlängerung. Im übrigen ist es eine übliche Erfahrung, dass das 8-fache der öffentlichen Sanierungsmittel im Sanierungsgebiet an privaten Investitionen ausgelöst werden.
Die formale und funktionale Gestaltung der öffentlichen Flächen in der südöstlichen Innenstadt um den Dreh- und Angelpunkt Schwabentorvorplatz stellt ein Entwicklungsziel von stadtbaugeschichtlicher Dimension dar, das in der Bürgerschaft selbst unter verschiedensten Perspektiven zunehmend erkannt und angestrebt wird. Mit Sicherheit wird jeder Verbesserungsvorschlag Kosten verursachen. Auch bei hoher staatlicher Förderung wird die Stadt „komplementär“ zur Kasse gebeten werden. Dies trifft sie zu einem Zeitpunkt, in dem aus dieser Kasse kaum etwas zu holen ist. Aber war dies seit Winterers Zeiten jemals anders? Es ist an eine alte Freiburger Tugend zu erinnern: trotz aller Finanznöte wurde über die Entwicklung der Stadt immer nachgedacht, meist Jahrzehnte vor einer Realisierbarkeit. Finanznot darf nicht zum Vorwand werden, bestehende Aufgabenstellungen nur verbal zu problematisieren und auf künftige Gestaltungsmöglichkeiten mit vagen Erfolgsaussichten ohne eigenes Konzept zu warten.
Expertise Innenstadt-Ost Freiburg, den 11.01.2010
J. Diel, Dipl. Ing. Architekt mit Beiträgen von
Yvonne Faller, Freie Architektin BDA, Münsterbaumeisterin
Manfred C. Noppel, Dipl. Kfm. Einzelhandelsverband Südbaden e.V., Haupt- Geschäftsführung
Reiner Probst, Dipl. Ing. Freier Architekt und Stadtplaner BDA DWB
Volker Rosenstiel, Dipl. Ing. Freier Architekt und Stadtplaner BDA DWB
Bernd Fahle, Stadtplaner
Constanze Oberkirch, Rechtsanwältin
Hansjörg Oehm, Dipl. Ing. Architekt, Reg. Baumeister für Städtebau, DWB